Nationalsozialismus in Karlsruhe

Ein ganzes Jahr jeden Freitagnachmittag aufopfern? (Von all den Samstagen wusste ich damals noch nichts…) Ich wunderte mich, warum ich gerade tat, was ich tat in dieser sonnigen Mittagsstunde, schritt aber unbeirrt weiter, unterwegs zur ersten Sitzung des Seminarkurses “Nationalsozialismus in Karlsruhe”, zum Bismarck-Gymnasium. Ja, Bismarck. Dieser Seminarkurs ist nämlich quasi ein Joint Venture dreier Gymnasien; Bismarck, Goethe und Helmholtz. Ich wunderte mich also, warum ich die erste Sitzung überhaupt besuchte. Herr Hiss hatte mich nur last Minute dazu überreden können, den Seminarkurs zu wählen und ich tat es nur in der Gewissheit, dass ich in den ersten zwei Wochen den dann zweifellos überraschten Herrn Hiss samt seinem Kurs aus meinem Stundenplan schmeißen könnte.

Nach einer ersten schönen Sitzung begab ich mich mit meinen Seminarkollegen daher auf eine wunderbare Reise, welche zwar ihre Tücken und Anstrengungen mit sich brachte, sich aber unauslöschbar in mein Gehirn brannte, in Form einer insgesamt sehr positiven Erinnerung. Los ging es mit einem glücklichen ersten Halbjahr. Interessante, ja, tatsächlich tolle Leute, Exkursion, Diskussionen, ein Zeitzeugengespräch, welches die Zuhörer emotional sehr berührte. Und mit all dem stieg in mir und wohl auch in den Köpfen einiger meiner Mitschülerinnen und Mitschüler die wachsende Zuversicht: Dávid, du hast die richtige Entscheidung getroffen! Überschattet wurde das Ende dieser so positiven ersten Hälfte durch die immer drängendere Verpflichtung, doch endlich mal ein Thema für die Seminararbeit zu finden. Aus beschwichtigenden “Es wird schon”-s und “Nur keine Sorgen” seitens der drei Lehrer wurde gefühlt vom einen Tag auf den anderen ein klares “Jetzt ist aber mal Zeit”. Nicht nur ich, circa die Hälfte des Kurses fand sich zwischen den Stühlen. Kaufhäuser? NS-Architektur? Oder doch Theater? Den einsamen Wolf spielen oder sich einen Haufen Arbeit sparen, indem man einen fleißigen Tandempartner mit ins Boot holt? Um Weihnachten war die Sache dann endlich geregelt, alle zufrieden mit Partner und Thema, zumindest taten wir so. Und allmählich begann die Phase des Kurses, in der er (wie versprochen) der Universität ähnlich wurde. In den Sitzungen nur Methodisches, dann Einzelberatung zur Seminararbeit. Um diesen Seminarkurs gut zu beschreiben, müssen unbedingt ein paar Worte zum Lehrerensemble fallen. Herrn Hiss, den ehrgeizig Motivierten, muss ich wohl kaum vorstellen. Immer eine treibende und unterstützende Kraft. Uns in der Forschung zu unseren eigenen Themen oft meilenweit voraus. Herr Markowitsch, der Bismarckianer, ist, was die Motivation angeht, auf Augenhöhe mit Herrn Hiss. Ein ähnlicher Interessenwecker, oft im engen Zusammenspiel mit Letzterem. Das Dreierteam vervollständigte Frau Bodemann. Ein herzlicher, persönlicher Gegenpol zu den männlichen Kollegen. Immer ein offenes Ohr, immer ein Lächeln parat. Und dazu noch Bäckerin von herzbrechend leckerem Kuchen (und Plätzchen). Wirkungsvoll ergänzt wurde unser Lehrerdreamteam von den künstlerischen Mitarbeitern Fanny und Max. Dazu muss man wissen, dass wir Schüler nicht nur für die wissenschaftliche Arbeit eine Note bekamen. Die künstlerische Verarbeitung des Erarbeiteten wurde auch bewertet. Im zweiten Halbjahr begann also die Phase, in der wir Schüler (intensiv betreut von unseren zwei Profikünstlern) Künstlerisches erschufen. Das entstandene Bild-, Ton- und Videomaterial musste schließlich an einigen spannenden, doch teilweise langatmigen Samstagen in ein Gesamtkunstwerk vereint werden. Der Moment, in dem wir vor unserem begehbaren Kunstkomplex standen und unseren Stolz kaum unterdrücken konnten, war die paar Samstage aber mehr als Wert. Das Schönste daran war, dass dieser Moment ein sehr langer war und uns über die diversen sehr intelligenten Ansprachen der Eröffnungsfestlichkeit zu unserer ersten Ausstellung im Bismarck hinweghalf. An diesem Sommernachmittag war ich mir endgültig sicher, dass ich im richtigen Kurs gelandet war und war einfach zufrieden. Dem Eindruck nach mussten meine Mitschüler ähnliche Gefühle gehabt haben. Wir haben etwas erschaffen und konnten zu Recht stolz sein. Die Hochgefühle konnten sogar noch weiter gesteigert werden, als nach den Feierlichkeiten von den Lehrern verkündet wurde, dass der ganze Kurs kollektiv 15 Punkte für die künstlerische Arbeit bekommt. Derartige Höhepunkte gab es im Früherbst, bei der zweiten Ausstellungseröffnung im obersten Lichthof unseres geliebten Helmholtzes zwar keine, trotzdem wurde auch hier ausgiebig gefeiert. Lob kam sogar von dem anwesenden Stellvertreter des Generalintendanten des Staatstheaters Karlsruhe, Jan Linders. An dieser Stelle noch ein Ratschlag an die kurswählenden Zehntklässler kommender Generationen: Wählt diesen Seminarkurs! Neben all dem Spaß bringt er nämlich bei entsprechendem Einsatz nicht nur gute Noten, sondern auch einen bunten Strauß an sehr wertvollen Erfahrungen. Archivarbeit, Quellenanalyse oder wissenschaftlich korrektes Zitieren: Diese Fähigkeiten sind in den meisten humanistischen Studiengängen Gold wert.

Dávid Gajdos, K2