MINT-EC Camp
Wissen schafft Wandel – MINT-EC-Camp „Erneuerbare Energien“
Vom 19. bis 22. Mai 2025 trafen sich 20 MINT begeisterte Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland sowie internationale Gäste aus Istanbul und Quito zum bundesweiten MINT-EC-Camp „Erneuerbare Energien – mehr als Solar und Wind“ am Helmholtz-Gymnasium Karlsruhe, sowie am Institut für Technologie (KIT). Ziel des Camps war es, neue Perspektiven auf die Energieversorgung der Zukunft zu gewinnen – praxisnah, interdisziplinär und forschungsnah.
Nach einer Einführung in physikalische Grundlagen konnten die Teilnehmenden beim Bau eigener Wasserräder ihre Ideen direkt in die Praxis umsetzen und den Wirkungsgrad ihrer Wasserräder bestimmen. Am Campus Nord, im Energy Lab 2.0 erhielten sie exklusive Einblicke in Großspeicher und Wasserstofftechnologien. Besonders beeindruckend war die Führung durch eine teilautomatisierte Pilotlinien-Batteriezellfertigung mit digitalem Zwilling und Sensorik zur Prozessoptimierung.
Ein praktischer Workshop am Helmholtz-Gymnasium zum Bau eines Solarspannungsreglers mit Arduino, bei dem die Jugendlichen selbst einen Laderegler entwickelten und programmierten konnten.
Ergänzt wurde das Programm durch eine Einführung in die Geothermie am Oberrhein – inklusive Demonstrationsexperimenten.
Anschließend konnten die Teilnehmenden an der Hochschule Karlsruhe per Fahrrad genug Strom erzeugen, um eine Popcornmaschine zu betreiben – ein eindrucksvolles Beispiel für Energieerzeugung durch Muskelkraft und kreative Technik.
Hier geht’s zum ausführlichen Bericht:
Wissen schafft Wandel: Einblicke in Forschung, Technik und Visionen der Energie von morgen
Vom 19. bis 22. Mai 2025 fand in Karlsruhe das bundesweite MINT-EC-Camp „Erneuerbare Energien – mehr als Solar und Wind“ statt. 20 engagierte Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland – darunter Teilnehmende aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Ostfriesland, Bayern sowie internationale Gäste aus Istanbul und Quito (Ecuador) – kamen zusammen, um sich intensiv mit innovativen Formen der Energiegewinnung und -speicherung auseinanderzusetzen. Ihre Anreise haben sie selbst organisiert, für das hochkarätige und abwechslungsreiche Programm sowie für die Unterbringung und Verpflegung in Karlsruhe sind Frau Dr. Wolff und Herr Unger vom Helmholtz-Gymnasium verantwortlich.
Der Auftakt begann am Mittwoch, dem 19.05. mit einer Einführung in die physikalischen Grundlagen der Energie. Direkt im Anschluss konnten die Schülerinnen und Schüler das Gelernte in einem Workshop mit dem Titel „Bau dein Wasserrad“ am Institut für Wasser und Umwelt, KIT (Karlsruher Institut für Technologie) praktisch umsetzen. Hier entstanden individuelle Wasserrad-Modelle, deren Wirkungsgrade bestimmt und bewertet wurden.
Am Donnerstag, dem 20.05., stand ein echtes Highlight auf dem Programm: Dr. Wolfgang Breh, Geschäftsführer des KIT-Zentrums Energie, gab eine faszinierende Einführung in die Energieforschung am KIT. Dabei wurde schnell deutlich, dass die Energiewende weit mehr bedeutet als nur Solar- und Windenergie. Gemeinsam warfen wir einen spannenden Blick in die Zukunft: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am KIT forschen an einer Vielzahl erneuerbarer Energiequellen, modernen Speichertechnologien, intelligentem Energietransport und der smarten Vernetzung von Verbrauchern.
Dr. Breh schilderte eindrucksvoll, wie am KIT aus bloßem Stroh Kerosin gewonnen wird – ein Projekt, das mit der bioliq-Anlage große Aufmerksamkeit erregte. Darüber hinaus erläuterte er: „Unsere Forschenden nutzen Elektrolyse, um aus Wasser und dem Treibhausgas CO₂ synthetische Kraftstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin herzustellen – eine Möglichkeit CO₂ aus der Atmosphäre zu bekommen.“
Besonders spannend war der Blick auf das scheinbare Paradoxon: Das Kernforschungszentrum, ein Ort, der einst für die Entwicklung der deutschen Atomtechnologie stand, spielt heute eine führende Rolle in der Forschung an regenerativen Energien. Doch, so Dr. Breh, sei das kein Widerspruch: „Das ursprüngliche Ziel war stets eine langfristige, sichere Energieversorgung. Dieses Ziel ist geblieben – nur der Weg dorthin hat sich verändert. Heute forschen wir nicht mehr an der Kernspaltung, sondern an der Kernfusion.“
Er zeigte auf, wie das Wissen aus der Chemie radioaktiver Materialien heute in der Mikroverfahrenstechnik genutzt wird: „Diese Kompetenzen helfen uns nun, die Wasserstofftechnologie entscheidend voranzubringen.“
In einem zukünftigen Fusionsreaktor soll das „kosmische Sonnenfeuer“ kontrolliert werden – ein Vorgang, wie er in der Sonne selbst abläuft: Wasserstoffkerne verschmelzen zu Helium und setzen dabei enorme Energiemengen frei. Forschende am KIT sind aktiv am internationalen Großprojekt ITER im südfranzösischen Cadarache beteiligt. „Wir sprechen hier von Temperaturen von bis zu 150 Millionen Grad Celsius – eine extreme technische Herausforderung“, betonte Dr. Breh. Um die Mikrowellenstrahlung zu führen und den radioaktiven Brennstoff Tritium, einen superschweren Wasserstoff, im Inneren des Reaktors zu halten, werden extremhitzebeständige Materialien benötigt. „Ein Beispiel sind spezielle Reaktorfenster aus synthetischem Diamant“, so Dr. Breh weiter, „die der extremen Hitze standhalten, sowie supraleitende Magnetspulen, mit denen das heiße Plasma durch starke Magnetfelder eingeschlossen wird.“ Teile dieser Technologie wurden direkt am KIT entwickelt.
Der Vortrag war faszinierend – spätestens jetzt war allen Schülerinnen und Schülern klar, dass das KIT zu den führenden Energieforschungszentren Europas gehört. Und das blieb nicht nur Theorie: Im Anschluss hatten die Teilnehmenden des MINT-EC-Science Camps die seltene Gelegenheit, einige dieser Großanlagen aus nächster Nähe zu besichtigen und innovative Forschung hautnah zu erleben.
Im Energy Lab 2.0 des Campus Nords konnten sie sehen, wie eine nachhaltige, effiziente Energieversorgung der Zukunft ganz konkret aussehen kann.
Ein weiteres Highlight des Camps war die spannende und eindrucksvolle Führung von Simon Otte durch das Batterietechnikum des KIT. Die Teilnehmenden erhielten dabei einen praxisnahen Einblick in die Batteriezellproduktion im Kontext von Industrie 4.0. Anhand von Beispielen aus der Batteriezellfertigung erklärte er: „Durch die automatisierte Prozessführung können wir heute flexibel auf unterschiedliche Rezepturen reagieren. Das macht unsere Produktion zukunftssicher und effizient.“ Ein Aspekt sind dabei die digitalen Zwillinge, so der digitale Zwilling eines Extruders zum Mischen der Elektrodenpaste: dies ist ein virtuelles Abbild der Maschine, das eine präzise Simulation, Steuerung und Optimierung des Produktionsprozesses ermöglicht. „Damit können wir auf kleinste Abweichungen reagieren, um so negative Auswirkungen auf die Produktqualität möglichst zu vermeiden“, erläuterte Otte. Auch das Thema Rückverfolgbarkeit im Mischprozess wurde anschaulich erklärt – ein entscheidender Faktor für Qualitätssicherung und Transparenz in der Herstellung von Batteriezellen.
Im Anschluss bekamen die Schülerinnen und Schüler einen umfassenden Überblick über den Beschichtungs- und Trocknungsprozess. Simon Otte erklärte die verschiedenen Beschichtungsmethoden und erläuterte: „Durch permanente Prozessüberwachung stellen wir sicher, dass jedes Detail stimmt.“ Als nächstes folgt im Produktionsprozess das sogenannte Kalandrieren – das präzise Verdichten von Batterieelektroden mit Walzen. „Durch integrierte Sensorik können wir Fehler frühzeitig erkennen und durch Anpassung der Prozessparameter Ausschuss reduzieren“, so Otte. Zusätzlich dazu wurde für die Bildung des Zellstapels ein innovatives Anlagenkonzept vorgestellt. Die Neuheit liegt hier in der möglichst langen kontinuierlichen Prozessierung der Elektroden, aus denen der Zellstapel z-förmig gebildet wird. Herr Otte betonte: „Durch die gezielte Prozessoptimierung und Entwicklung neuer Anlagentechnik verbessern wir nicht nur die Effizienz des Prozesses, sondern steigern auch die Qualität unserer Batteriezellen“. Zum Abschluss ging er auf die experimentelle Einflussnahme auf Produktparameter ein, denn insbesondere bei der Stapelbildung kommt es auf höchste Genauigkeit an. „Schon ein kleiner Versatz kann später die Leistungsfähigkeit der gesamten Batterie beeinflussen“, erklärte er. „Deshalb investieren wir viel in Forschung und Entwicklung, um hier das Optimum herauszuholen.“
Im Anschluss führte der Weg die Teilnehmenden zum Wasserstofftechnikum und zur bioliq-Anlage, bevor es weiter zum Solarspeicherpark ging. Im Energy Lab 2.0 wird ein seriennaher Prototyp eines 1,5-MWh-Lithium-Ionen-Großspeichers mit Batteriemodulen entwickelt. Dank innovativer Kühltechnik über Grundwasser und teilversenkter Bauweise ist der Speicher besonders effizient, langlebig und platzsparend. Die Schülerinnen und Schüler durften sogar in den Batterieraum schauen. In unmittelbarer Nähe wurde ein Redox-Flow-Speichersystem aufgebaut, das durch seine Bauweise die elektrische Leistung von der Speicherkapazität entkoppelt – die gespeicherte Energiemenge lässt sich flexibel über die Größe der Elektrolyttanks skalieren. Die installierte Anlage verfügt über 200 kW Leistung und 800 kWh Speicherkapazität. Perspektivisch soll sie gemeinsam mit dem Lithium-Ionen-Großspeicher betrieben werden, um die Vorteile beider Technologien zu kombinieren. Auch hier erhielten wir spannende Einblicke in den Innenraum.
Nun ging es für uns zurück auf den Campus Süd. Nach einem gemeinsamen Mittagessen in der KIT-Mensa trafen wir uns zu einem Workshop am Helmholtz-Gymnasium.
Der Maximum Power Point (MPP) ist der Punkt, an dem eine Photovoltaikanlage (PV-Anlage) die größtmögliche elektrische Leistung liefert – also das optimale Zusammenspiel von Stromstärke und Spannung. Dieser Punkt ist jedoch nicht konstant, sondern verändert sich fortlaufend, abhängig von äußeren Bedingungen wie Sonneneinstrahlung, Temperatur oder Verschattung. Sinkt zum Beispiel die Lichtintensität, verschiebt sich der MPP, weil sich sowohl die Spannung als auch der Strom ändern.
Genau hier kommen Spannungsregler ins Spiel: Sie sorgen dafür, dass das PV-System auch bei wechselnden Bedingungen möglichst nahe am MPP arbeitet – und somit effizient bleibt. Ein intelligenter Regler passt sich laufend an die aktuellen Bedingungen an. In professionellen Anlagen geschieht dies mit sogenannten MPPT-Reglern (Maximum Power Point Tracking).
Nach einer kurzen Einführung in die Konzepte von Maximum Power Point (MPP), Pulsweitenmodulation (PWM) und dem Spannungsteiler-Prinzip, durften wir selbst aktiv werden:
Mit Hilfe eines Arduinos bauten und programmierten wir unseren eigenen Solarspannungsregler. Dabei konnten wir die Spannung der Solarpanels messen, die Regelung steuern und so selbst erleben, wie Technik, Programmierung und erneuerbare Energien zusammenwirken. Ein anschauliches Projekt, das zeigte, wie moderne Energiegewinnung auch im Kleinen funktioniert
Am Mittwoch dem 21.05 startete der Tag mit einer sehr anschaulichen Einführung in die Geothermie am Oberrhein. Diplom-Geologe Bernhard Potthoff erläuterte in einem theoretischen Vortrag das große, bisher wenig genutzte Potenzial der Energie aus dem Erdinneren.
„Unter unseren Füßen schlummert eine gewaltige Energiequelle“, erklärte Potthoff. In Tiefen von zwei bis drei Kilometern finde sich Thermalwasser mit Temperaturen über 100 °C, das nicht nur zur Heizung ganzer Städte, sondern auch zur Stromerzeugung genutzt werden könne. Anders als Wind- oder Solarenergie ist Erdwärme wetterunabhängig und kontinuierlich verfügbar – ein großer Vorteil für die Versorgungssicherheit.
Doch Potthoff sprach auch offen über die Risiken: Geothermiebohrungen können Hebungsschäden und induzierte Erdbeben verursachen – Probleme, die bereits mehrfach in der Region aufgetreten sind. Im Abschluss konnten die Teilnehmenden selbst aktiv werden: In anschaulichen Experimenten führten sie eigene Demonstrationsversuche zur Geothermie durch.
Nach dem Mittagessen in der KIT Mensa ging es am Nachmittag zur Hochschule, wo der Solartruck der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik startklar wartete. Mit seinen speziellen Aufbauten verbindet der Solartruck Elektromobilität mit erneuerbaren Energien. Das ausfahrbare Solardach ist dabei ein zentrales Element – leider konnte es wegen eines drohenden Gewitters nicht ausgefahren werden.
Trotzdem wurde Strom vor Ort erzeugt: Durch das Treten in die Pedale der Fahrräder erzeugten wir genug Energie, um eine Popcornmaschine zu betreiben. Sowohl die Fahrräder als auch der Solartruck wurden von Studierenden der Hochschule selbst entwickelt.
An diesem Beispiel wurde nicht nur die Nutzung erneuerbarer Energien anschaulich demonstriert, sondern auch die praxisnahe Lehre und die offenen Lernformen an der Hochschule eindrucksvoll vorgestellt.
Am Donnerstag, den 22.05. präsentierten die Teilnehmenden des Camps ihre Vorträge zu erneuerbaren Energien. Im Anschluss fand eine gemeinsame Reflexion statt, bevor sie gestärkt mit einem Lunchpaket die Heimreise antraten.
Text und Fotos: Dr. Doris Wolff





















